Forschungsprofil des CIFRA
Die Forschungsziele und das Fächerspektrum des Centrums stehen in enger Beziehung zu den Aufgaben des Institut Français, insbesondere im Bereich der Kulturarbeit (Film, Kunst und Medien), in der politischen und historischen Bildung und in der kulturpolitischen Öffentlichkeitsarbeit. Gleichzeitig ist für das Centrum ein intensiver Austausch mit ausgewählten frankophonen Partneruniversitäten vorgesehen. Die einzelnen wissenschaftlichen Projekte der Abteilungen verfolgen dabei innovative Fragestellungen aus den jeweiligen Disziplinen und sind untereinander vielfältig verschränkt. Ein zentrales Merkmal des interdisziplinären Forschungsprogramms ist es, dass nicht im Sinne eines klassisch-nationalstaatlichen Ansatzes allein das hexagonale Frankreich im Mittelpunkt der Forschungsinteressen steht. Vielmehr werden in den verschiedenen Abteilungen insbesondere auch die europäischen und globalen Dimensionen einer "französischen" Kultur und Politik in ihrer breiten frankophonen Diversität und die vielfältigen Wandlungen der politischen Rollen und Beziehungen im Kontext der Europäischen Integration und der ‚Globalisierung’ in den Blick genommen.
Damit berücksichtigt das Forschungsprogramm des Centrums wichtige aktuelle Entwicklungen der Frankreich- und Frankophonie-bezogenen Forschung, die durch die Zusammenarbeit mit dem Institut Français in einen engen Austausch mit der breiteren außeruniversitären Öffentlichkeit treten kann.
Hier erhalten Sie nähere Informationen zu den laufenden Projekten des CIFRA:
Projekte der Geschichtswissenschaftlichen Abteilung
Ausgehend von der besonderen Stellung, welche das Kölner Institut Français wie andere, vergleichbare Kulturinstitute seit seiner Gründung nicht nur im inter- und transnationalen Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland, sondern auch in der Kölner Kulturpolitik einnimmt, befasst sich die geschichtswissenschaftliche Abteilung mit der grundsätzlichen Frage nach der historischen Tiefendimension des Verhältnisses von Kultur und Politik im 20. Jahrhundert. Tatsächlich ist die Gründungswelle der europäischen Kulturinstitute in der Nachkriegszeit in einem historischen Kontext zu sehen, der nicht nur durch die innereuropäischen Auseinandersetzungen und den Kalten Krieg bestimmt war, sondern auf besondere Weise sich auch mit der Auseinandersetzung um die koloniale und postkoloniale Gegenwart Europas verband. Die Kolonialmacht Frankreich besaß hierbei eine sehr spezifische dem nach dem Ersten Weltkrieg zwangsweise „entkolonisieren“ Deutschland entgegengesetzte Ausgangsposition. Dennoch waren beide Länder in der Nachkriegszeit durch ihre politische Integration in ein sich vereinigendes Europa in ihrer Politik gegenüber Afrika und anderen Teilen der kolonialen/postkolonialen Welt sehr eng miteinander verbunden.
Im Rahmen der geschichtswissenschaftlichen Abteilung werden diese kulturellen und politischen Verflechtungen zwischen Frankreich, Deutschland und der kolonialen/postkolonialen Welt in längerer historischer Perspektive insbesondere mit Blick auf Afrika und den Mittelmeerraum im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert intensiver untersucht und analysiert. In diesem Zusammenhang soll ein besonderes Augenmerk auf die spezifische Rolle von Künstlern wie auch der staatlich geförderten Kulturinstitutionen gelegt werden. Dabei ergeben sich enge thematische Verbindungen zu den anderen drei Abteilungen des Centrums über die Fragen der europäischen Dimension der Kulturpolitik, Frankophonie und der Beschäftigung mit Literatur und Film.
Projekte der Literaturwissenschaftlichen Abteilung
Literatur, Film und Raum in der französischen Kultur der späten Moderne
Die literaturwissenschaftliche Abteilung realisiert und koordiniert Untersuchungen zur Gestaltung urbaner und mobiler Räume in der französischen Kultur der späten Moderne. Mit Rücksicht auf die seit einigen Jahren bemerkbare „topographische Wende“ in den Kultur- und Sozialwissenschaften nimmt die Abteilung an Hand literarischer und filmischer Repräsentationen öffentliche Räume in den Blick, die im Frankreich des 20. Jahrhunderts zu wichtigen Erfahrungsbereichen werden: die Parks, Cafés und Bahnhöfe der Metropole Paris, deren Peripherie von der „banlieue“ bis hin zu den „villes nouvelles“ sowie vor allem die Verkehrsnetze und Transportmittel, welche die Hauptstadt mit ihrem Umland verbinden. Obwohl es sich dabei in der Regel nicht mehr um identitätsstiftende „Erinnerungsorte“, sondern vielmehr um austauschbare „Nicht-Orte“ handelt, weisen sie dennoch kulturspezifische Charakteristika auf, wie etwa der kaum übersetzbare Begriff des „terrain vague“ belegt. Besonderes Profil gewinnen solche Charakteristika in Texten und Filmen, die städtische Orte oder Transporte in Szene setzen. Ihre Erschließung wird vor allem drei Kontexte zu beachten haben: raumkonstituierende Techniken und Praktiken wie den Parcours des Flaneurs oder die Inventur des Chronisten, wobei dem ‚exzentrischen’ Blick von Migranten aus der frankophonen Welt besondere Aufmerksamkeit gelten soll; ferner theoretische Konzepte wie die „symbolische Domestikation“ oder die „soziale Produktion“ des Raumes; schließlich literarische und photographische Traditionen des 19. Jahrhunderts, in die sich auch neuere Repräsentationen des städtischen Raumes einschreiben.
In diesem Rahmen situiert sich das Forschungsprojekt „Espèces d’espaces“, das am Beispiel ausgewählter urbaner und mobiler Orte (Bahnhof, Métro, terrain vague) Formen und Funktionen solcher Raummodellierung untersucht. Es kann aufbauen auf raumbezogenen Analysemodellen für Texte und Filme, die im Rahmen der interdisziplinären Münchener Arbeitsgruppe „Raum — Körper — Medium“ entwickelt und in Veranstaltungen an der Universität zu Köln weiter ausgebaut wurden.
Projekte der Politikwissenschaftlichen Abteilung
Die Rolle Frankreichs und Deutschlands in der Europäischen Integration und im Bezug auf das Auswärtige Handeln der Europäischen Union
Die politikwissenschaftliche Abteilung beschäftigt sich mit der Rolle Frankreichs und Deutschlands in der Europäischen Integration und für das Auswärtige Handeln der Europäischen Union, nicht zuletzt im Bezug auf Afrika und die AKP-Staaten. Die deutsch-französischen Beziehungen bleiben ? angesichts der unbestrittenen fortdauernden Bedeutung des Duos für die Weiterentwicklung der Europäischen Union ? von zentraler Bedeutung für die europäische Integration. Gleichzeitig liefern vergleichende Studien der beiden Gründungsstaaten der Europäischen Union entscheidende Hinweise auf die Auswirkungen der Prozesse der Europäisierung auf Institutionen, Politikgestaltungsprozesse, Diskurse und Konzepte beispielsweise von politischem Raum oder von Identität.
Die Abteilung hat folgende Forschungsschwerpunkte:
(a) Vergleichende Studien zur Erfassung von Leitbildern zur Gestaltung Europas und darin insbesondere der Europäischen Union, zu Demokratie- und Staatsverständnissen sowie zur theoriengestützten Erklärung von Konvergenzen bzw. Divergenzen;
(b) theoriegeleitete Studien zur empirischen Erfassung der Entwicklung der institutionellen Architektur des EU-Systems nach dem Lissabonner Vertrag und ihrer Auswirkungen auf Frankreich und Deutschland, insbesondere im Bereich der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik;
(c) theoriegeleitete Studien zur Rolle der Europäischen Union im internationalen System vor dem Hintergrund französischer und deutscher Konzepte und Kulturen zur internationalen Politik.
Projekte der Sprachwissenschaftlichen Abteilung
Die Frankophonie aus sprach- und medienwissenschaftlicher Sicht mit besonderer Berücksichtigung Afrikas
Die sprachwissenschaftliche Abteilung zur Frankophonie soll nicht in Konkurrenz zu bereits an anderen Instituten in Frankreich (Paris 13, Aix-en-Provence) und Kanada (Québec) bestehenden Projekten treten, sondern von vornherein ein scharfes Profil besitzen, das ihre Originalität sichert und zugleich an einige in Köln bestehende Forschungstraditionen anknüpft. Für einen ersten Zeitraum ist eine Ausrichtung auf die Frankophonie Afrikas und des Nahen Ostens forschungsleitend. Als Kernthematik wird eine zugleich linguistische und „landes-wissenschaftliche“ (auf die jeweilige civilisation ausgerichtete) Analyse von Massenmedien und öffentlicher Sprache vorgesehen. Die wissenschaftlichen Ziele des Forschungsschwerpunktes lassen sich kurz wie folgt umreißen: Die am Romanischen Seminar vorhandenen informatischen Werkzeuge erlauben eine statistische Messung der Divergenzen bestimmter nationaler Formen des „afrikanischen Französisch“ gegenüber dem sprachlichen Standard von Tageszeitungen Frankreichs und der Provinz Québec (hierzu auch Kooperationsvertrag mit der Université de Montréal). Messungen dieser Art sind insofern linguistisch von großem Interesse, als sie quantitativ basierte Hypothesen über die viel diskutierte Frage des sprachlichen Auseinanderdriftens von Teilen der frankophonen Welt erlauben. Fragestellungen inhaltlich ganz anderer Natur, die auf der Grundlage der gleichen Datenbank entwickelt werden, betreffen die Frequenz und das semantische oder argumentative Umfeld der Thematisierung bestimmter gesellschaftspolitischer Leitbegriffe in Tageszeitungen.
Das Forschungsziel schließt in ausgeprägter Vernetzung an in Köln bestehende oder geplante Schwerpunkte von Forschung und Lehre an; eine Kooperation ist geplant mit dem Zentrum Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, dem Institut für Afrikanistik, dem Medienzentrum der Philosophischen Fakultät und der Medienforschung an der WiSo-Fakultät. Mit Prof. C. Riehl wurde eine Zusammenarbeit bei der varietätenlinguistischen Untersuchung der deutschen Pressesprache Namibias vereinbart.
Eine bestimmte inhaltliche Ausweitung, die von den Möglichkeiten der Datenbanken und den Forschungsinteressen des Romanischen Seminars ausgeht, ist bereits in der Anlaufphase der Forschungsstelle möglich. Thematik: „Rechtssprache frankophoner und deutschsprachiger Länder im Sprachvergleich“. Dieses Vorhaben, über das bereits Vorgespräche mit Prof. I. Burr geführt wurden, steht in Beziehung zum interfakultativen Studiengang „Europäische Rechtslinguistik“.